Spirit, der bewegt ...

Jüdisch beziehungsweise christlich (c) EKD - Deutsche Bischofskonferenz
Jüdisch beziehungsweise christlich
Datum:
Sa. 15. Mai 2021
Von:
Wolfgang Mahn

Eine jüdische Stimme
Schawuot wird genau fünfzig Tage nach dem Pessachfest begangen und feiert die Offenbarung der Torah am Sinai. Eigentlich ist jede Torahlesung eine Vergegenwärtigung dieses Ereignisses, beim „Fest der Gabe der Torah“ aber noch einmal besonders, denn es werden die Zehn Gebote vorgetragen, die eine direkte Ansprache Gottes an Israel waren. Dieser Akt wird als eine Art Hochzeit zwischen Gott und Israel verstanden, und die Torah ist der Ehevertrag, der die gegenseitige Hingabe und Verpflichtung beider Liebender darlegt. 

Schawuot ist eines der drei Wallfahrtsfeste und hat wie diese auch eine landwirtschaftliche Dimension. Es wird auch als „Fest der Erstlingsfrüchte“ bezeichnet, weil es den Beginn der Weizenernte und des Reifens der Sommerfrüchte in Feld und Garten markiert. Zum besonderen Festtagsopfer zu Tempelzeiten gehörte das Darbringen von Weizenbroten. Heute ist das Fest vor allem wegen  einer Lernnacht, populär, bei der man sich gemeinschaftlich bis in die frühen Morgenstunden dem Torahstudium hingibt. Wach gehalten wird man dabei durch die Vielzahl süßer und herzhafter Gerichte aus Milch und Käse, die dem Fest seinen besonderen Geschmack geben.

– Rabbinerin Dr.in Ulrike Offenberg

Eine christliche Stimme
Schawuot feiert den lebensstiftenden Geist der Zehn Gebote. An Pfingsten bewegt die Geistkraft Gottes die Mutlosen. Orientierung und Inspiration: Gestalten und mutig voranschreiten

Schawuot, das sieben Wochen nach Pessach begangen wird, feiert den Abschluss der Getreideernte. Alle Feste wurden jedoch im Lauf der Geschichte mit bedeutenden Ereignissen aus der Bibel theologisch hinterlegt. An Schawuot wird der Gabe der Tora am Gottesberg gedacht. Da die göttliche Weisung in ihrem Wortlaut als kanonischer Text nicht verändert werden darf, die ethischen und kultischen Gebote und Verbote jedoch der Adaption in neue Zeiten bedürfen, braucht es zur rechten Auslegung der Mose-Tora göttliche Inspiration, die Gabe des Geistes. Die Geistbegabung an alle Menschen (vgl. Joël 3 vgl. Apg 2) schafft unmittelbaren Zugang zu Gott und seiner Offenbarung und bewirkt, dass alle im Gottesvolk die gesamte Tora begreifen und befolgen können (vgl.Ez36,26f.).

Die neutestamentliche Rezeption im Pfingstereignis aktualisiert diesen universalistischen Zugang und macht die christliche Botschaft für Menschen aus allen Völkern verständlich.

– Irmtraud Fischer, Professorin, kath. Fakultät, Graz.